Veränderungen ja – aber bitte mit Augenmaß
Die Skeptiker der Neubaupläne haben nie bestritten, dass sich in unserer Krankenhauslandschaft etwas ändern muss. Auch wir wissen, dass Strukturen weiterentwickelt werden müssen, um medizinisch und wirtschaftlich zukunftsfähig zu bleiben. Doch bislang wurde nur in eine Richtung geplant – hin zu Konzentration und Schließung im Bestand.
Ich meine: Hier wurde weggehört, als es darum ging, das Kind zu sichern. Jetzt wurde es in den Brunnen geschmissen – und man fragt, was man denn jetzt tun soll. Die Antwort lautet: Wir haben nur noch die Chance mit einem Neubau.
Ein Bürgerdialog, der viele Fragen offenließ
Der Landkreis Elbe-Elster und das Klinikum hatten zum Bürgerdialog eingeladen. Landrat und Klinikleitung standen für Fragen bereit – zumindest dem Anspruch nach. Zu Beginn erläuterte der Klinikleiter die bisherige Entwicklung des Klinikums und begründete, warum eine grundlegende Umstrukturierung bzw. der Neubau notwendig sei.
Doch sobald es konkret wurde, blieben die Antworten vage oder offenbarten weitere Einschnitte. Ich fragte etwa, ob alle ambulant tätigen Ärzte des Klinik-MVZ künftig in die neuen „Gesundheitszentren“ umziehen werden – die Antwort: Ja.
Damit wird klar, dass die medizinische Versorgung in der Fläche weiter ausgedünnt wird. Dabei bedeutet der Wegfall der drei bestehenden Krankenhausstandorte für viele Menschen im ländlichen Raum schon eine erhebliche Verschlechterung der wohnortnahen Versorgung.
Finanzierung: Viele Zahlen, wenig Verbindlichkeit
Auch bei den finanziellen Fragen gab es mehr Nebel als Klarheit. Nach meinem Verständnis sollen 326 Millionen Euro Fördermittel beantragt worden sein – mit einer Kalkulation von 1 Million Euro pro Bett (geplant sind 300 Betten). Eigenmittel, so hieß es vom Klinikleiter, seien nicht erforderlich. Der Landrat sagte jedoch etwas anderes.
Auf mögliche Kostensteigerungen oder Folgekosten reagierte man ausweichend. „Wir haben keine Glaskugel“, hieß es lapidar. Eine bemerkenswerte Antwort, wenn man bedenkt, dass es um hunderte Millionen Euro öffentlicher Gelder geht.
Die Notaufnahmen: Ein Widerspruch in sich
Als Begründung für den Neubau wurde auch die geringe Auslastung der Notaufnahmen herangezogen – durchschnittlich neun Fälle pro Nacht in allen drei Häusern zusammen. Auf meinen Hinweis, dass neun Fälle für einen Neubau aber auch eine erstaunlich niedrige Zahl seien, erklärte der Klinikleiter, das könne „ein Arzt allein bewältigen“.
Kurios: Noch vor wenigen Monaten hieß es, künftig müssten drei Ärzte pro Schicht zu 80 % in der Notaufnahme tätig sein – das gehe in den jetzigen Häusern nicht. Wenn nun plötzlich ein Arzt ausreichen soll – wie passt das zusammen? Drehen die anderen Däumchen? Und vor allem: Wie wirtschaftlich ist dieses Konzept dann tatsächlich noch?
Wer darf eigentlich fragen?
Als Bürger des Elbe-Elster-Kreises – und damit direkt Betroffener – hatte ich durchaus den Eindruck, dass kritische Nachfragen nicht gerne gehört waren. Der Klinikleiter reagierte sichtlich genervt, als sich ehrenamtlich aktive Kommunalpolitiker zu Wort meldeten.
Doch seit wann disqualifiziert ehrenamtliches Engagement für den offenen Dialog? Es sagt viel über die Haltung jener aus, die angeblich Transparenz und Bürgerbeteiligung großschreiben, in der Praxis aber offenbar lieber unter sich bleiben.
Demokratieverständnis auf dem Prüfstand
Der Klinikleiter bemängelte zudem, dass die Kommunalpolitik „nicht mit einer Stimme“ spreche. Es wäre schön, so sein Wunsch, wenn sich alle geschlossen hinter die Neubaupläne stellen würden.
Gerade bei Entscheidungen dieser Größenordnung – mit massiven finanziellen Auswirkungen und tiefen Einschnitten in die medizinische Versorgung – muss es erlaubt sein, Fragen zu stellen, Kritik zu äußern und Alternativen einzufordern.
Denn wo kämen wir hin, wenn einer den Ton angibt und alle anderen nur noch mitsingen dürfen?
Besonders irritierend war in diesem Zusammenhang die Haltung einer CDU-Abgeordneten im Kreistag. Sie erklärte in öffentlicher Sitzung sinngemäß, dass sie sich mit dem Thema nicht weiter beschäftigt habe und dem Landrat sowie dem Klinikleiter vertraue. Für alle sichtbar stellte sie damit ihre Kontrollfunktion als Abgeordnete in Frage. Wer sich auf diese Weise von Verantwortung entbindet, hat sich selbst entlarvt.
Wenn wir das Demokratieverständnis des Klinikleiters als Maßstab nehmen würden, säße er selbst heute nicht in seinem Amt.
Denn damals lobten Landrat, Abgeordnete, Beratergesellschaft und Aufsichtsratsmitglieder den ehemaligen Geschäftsführer über den grünen Klee: von einem „Glücksfall“ war die Rede, von „überdurchschnittlich guter Personalführung“ und dass es sich bei Kritik nur um „Einzelfälle“ handele.
Ich habe trotz Gegenwind aus genau diesem Kreis an der Neubesetzung der Geschäftsführung festgehalten – und es hat sich gezeigt, dass das richtig war. Das reine Mitsingen, das Wegsehen und Schönreden hätten keine Verbesserung gebracht.
Bestandshäuser: Verantwortung des Landes und neue Baustellen
In Deutschland sind die Länder für Investitionen in Krankenhäuser zuständig – und zwar für die Häuser, die im Krankenhausplan enthalten sind. Hier muss man die berechtigte Frage stellen, ob das Land Brandenburg überhaupt ein Interesse daran hat, drei bestehenden Häuser zu erhalten, für deren Investitionszuschüsse es jedes Jahr aufkommen muss.
Da kommt es doch recht gelegen, wenn man diese Häuser schließen und stattdessen einen Neubau errichten kann – zum Teil sogar mit Bundesmitteln. Die sogenannten „Gesundheitszentren“, die an den alten Standorten entstehen sollen, liegen dann allerdings in der Zuständigkeit des Landkreises bzw. Klinikums – und müssen auch von diesen finanziert werden.
Gestern klang zudem durch, dass es einen erheblichen Sanierungsstau in den Bestandshäusern gibt. In Elsterwerda beispielsweise sei das Dach undicht, in anderen Häusern gäbe es ähnliche Probleme.
Ironischerweise sollen genau in diese maroden Gebäude nun die neuen Gesundheitszentren einziehen – mit Praxen, die aus der Fläche abgezogen werden, Fitnessstudios, deren Bedarf niemand nachgewiesen hat, und Bäckern, die vermutlich „Vitaminbrötchen“ zur schnellen Genesung anbieten sollen.
Man fragt sich: Wo ist hier der Plan? Wie soll das alles finanziert werden? Der Landkreis befindet sich bereits in einer Haushaltssperre, und die kommenden Jahre werden voraussichtlich mehr Ausgaben als Einnahmen bringen. Wie sollen also die großen Flächen der alten Klinikgebäude realistisch genutzt werden? Mit sechs Ärztinnen und Ärzten wird man sie kaum füllen können.
Öffentlichkeitsarbeit: Fehlende Transparenz trotz großer Worte
Wenn man die Bevölkerung wirklich „mitnehmen“ möchte, wie es immer wieder betont wird, dann müsste die Öffentlichkeitsarbeit deutlich verbessert werden.
Warum gibt es keine eigene Informationsplattform, etwa eine Webseite, auf der regelmäßig und nachvollziehbar über den aktuellen Stand berichtet wird?
Dort könnten offen alle relevanten Fakten dargestellt werden:
- Welche Mittel wurden beantragt, welche bewilligt?
- Welcher Standort wurde auserkoren?
- Wie sieht der Zeitplan aus?
- Welche Planungsfortschritte, Beschlüsse und Ausschreibungen liegen vor?
Ebenso stellt sich die Frage, warum die Gutachten, die letztlich zur Entscheidung für den Neubau geführt haben, nicht öffentlich zugänglich sind. In anderen Landkreisen konnten Bürgerinnen und Bürger diese Unterlagen einsehen – hier jedoch werden sie bis heute unter Verschluss gehalten.
Eine solche Plattform ließe sich problemlos wöchentlich aktualisieren. Wenn man es also ernst meint mit Transparenz, Bürgerbeteiligung und Vertrauen, wäre dies der einfachste Schritt.
Oder wäre das etwa zu viel Offenheit für ein Projekt, das mit öffentlichen Mitteln finanziert wird?
Verantwortung? Fehlanzeige
Sobald es um Zuständigkeiten ging, wurde die Verantwortung schnell weitergereicht. Für die ambulanten Ärzte in den Gesundheitszentren sei die Kassenärztliche Vereinigung zuständig, für Investitionsentscheidungen der Kreistag, und das Land wiederum müsse über Fördermittel befinden.
Am Ende des Abends blieb der Eindruck: Niemand trägt die Verantwortung, falls das große Neubauprojekt scheitert. Landrat und Klinikleitung können dann sagen, sie hätten nur umgesetzt, was „von oben“ oder „von außen“ kam.
Fazit: Viel Rhetorik, wenig Realitätssinn
Der Bürgerdialog hat deutlich gemacht, dass die Weichen längst gestellt sind – und zwar ohne überzeugende Antworten auf zentrale Fragen:
Wie soll die medizinische Versorgung in der Fläche gesichert werden? Wer trägt die langfristigen Kosten? Und wer übernimmt Verantwortung, wenn die schönen Neubaupläne an der Realität scheitern?
Solange diese Fragen offen bleiben, bleibt auch der Bürgerdialog, was er war: ein Dialog in eine Richtung – von oben nach unten.
Ronny Zierenberg
Stadt- und Kreistagsabgeordneter